El Bunker – Zweiter Weltkrieg und Zwangsarbeit am spanischen Badestrand

von Ralph Trost

Am südlichen Ende des europäischen Festlandes ist bei klarem Wetter vom Strand des kleinen Fischerortes Zahara des los Atunes die Küste Afrikas zu erkennen. Geht der Blick nach links, schaut man in Richtung der Bucht von Algeciras, in der die Halbinsel Gibraltar liegt, seit 1704 britisches Territorium und bis zum heutigen Tag Anlass für Streitigkeiten zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich. Blickt man nach rechts, ist das Kap Trafalgar zu sehen, wo am 21. Oktober 1805 die britische Flotte die Reihen der französischen und spanischen Schiffe durchbrochen und dadurch sowohl zum Untergang Napoleons beigetragen wie auch dem längst verblassten Glanz der einst großen Spanischen Armada einen weiteren dunklen Schatten hinzugefügt hatte. Entlang des breiten Strands, auf dem im Sommer tausende zumeist spanische Touristen Sonne und Meer genießen, stehen in größerem Abstand Bunkerreste. Diese Bunker Andalusiens erzählen von einem weiteren kriegerischen Konflikt, in den Spanien verwickelt war, auch wenn sein faschistischer Diktator das Land offiziell dort heraushalten wollte. Sie sind das südlichste Zeugnis aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem europäischen Kontinent.

Blick zum Cabo de Trafalgar

Der Diktator auf Reisen

Kurz nach dem Sieg über die Spanische Republik, nach einem drei Jahre dauernden blutigen Bürgerkrieg, reiste der neue Staatschef Generalissimo Francisco Franco nach Andalusien. Weite Teile der Region waren schon zu Beginn des Bürgerkrieges im Sommer 1936 unter die Kontrolle seiner Aufständischen geraten. Nun, im April 1939, traf Franco in Sevilla den Jefe del Ejército del Sur, Generalleutnant (Teniente general) Gonzalo Queipo de Llano. Obwohl kein enger Vertrauter des „Caudillo“ („Führer“), hatte er eifrig dafür gesorgt, zehntausende Anhänger der verhassten spanischen Demokratie zu inhaftieren oder ermorden zu lassen. Der Krieg von 1936-1939 war nicht nur ein Krieg zwischen Nationalisten und Faschisten auf der einen und Republikanern unterschiedlichster politischer Herkunft auf der anderen Seite. Er war auch ein Genozid an der eigenen Bevölkerung. Wer sich gegen Franco und seine Putschisten stellte, galt als Verräter an Nation, Volk und katholischem Glauben und hatte das Recht auf Freiheit und Leben verwirkt.

Ein Ausbau der Grenze zu Gibraltar war einer der Gründe für Francos Besuch. Bereits während des Bürgerkrieges hatten die aufständischen Nationalisten den spanischen Bereich an der Meerenge kontrolliert und mit italienischer Unterstützung befestigt. Der „Caudillo erließ den Befehl, den Küstenbereich an der Südspitze des Landes dort zu befestigen, wo Atlantik und Mittelmeer aufeinandertreffen. Auf diese Weise würde es Spanien möglich sein, die ganze Straße von Gibraltar und damit den gesamten Schiffsverkehr zwischen Mittelmeer und Atlantik zu kontrollieren. Einerseits wollte man auf diese Weise die Briten auf ihrem Felsen isolieren und jeglichen Schiffsverkehr nach Nordafrika erschweren.

Blick nach Afrika

Andererseits war dies auch ein klares Zeichen an die ideologischen Bundesgenossen in Berlin und Rom, die zuvor die Aufständischen im Spanischen Bürgerkrieg unterstützt und deren Sieg erst möglich gemacht hatten. Offiziell würde sein Land, so war es zumindest für Franco klar, nicht in einen bevorstehenden Krieg eintreten. Aber er konnte seinen faschistischen Unterstützern mit einer Kontrolle der Region zwischen Mittelmeer und Atlantik das Kriegsleben zumindest erleichtern. Denn Mussolini verheimlichte nicht seine Großmachtphantasien eines „Mare Nostrum“ im Mittelmeer und einer Wiederauferstehung eines Römischen Reiches bis nach Afrika. Hitlers Deutschland war auf Rohstofflieferungen angewiesen und fürchtete eine Seeblockade wie im Ersten Weltkrieg.

Blick nach Tarifa – Zwischen Atlantik und Mittelmeer

„Felix“ und „Isabella“

Entlang der Küste zwischen dem Fluss Guadiaro am Mittelmeer und dem Ort Conil de la Frontera am Atlantik wurden jetzt über 640 überirdische Bunker, Observierungsposten und andere militärische Installationen errichtet. Scheitelpunkt war mit Tarifa der südlichste Punkt des Kontinents und gleichzeitig der nächstgelegene Ort zwischen Europa und Afrika. So sollte eine Invasion der Alliierten gerade an diesem strategischen Nadelöhr, wo Mittelmeer und Atlantik aufeinandertreffen, verhindert werden. Außerdem sollte das Küstenbefestigungssystem den Zugang zum Mittelmeer überwachen und die spanischen Enklaven in Afrika sichern.

Bunkerfragment in Zahara de los Atunes

Das Deutsche Reich hatte weitergehende Pläne. Mit den Unternehmen Felix von 1941 und Isabella (später Ilona) von 1942 sollte Gibraltar eigenommen und durch Stützpunkte in Portugal und Spanien der Konvoitransport der Briten gestört bzw. im Bereich der Straße von Gibraltar ganz unterbunden werden. Doch Diktator Franco ließ sich durch Hitler und Mussolini nicht darauf festlegen, die Pläne zu unterstützen. Das lag auch daran, dass seine eigenen Generäle ihn davor gewarnt hatten und sogar im Falle einer direkten Kriegsteilnahme des Landes einen Putsch geplant haben sollen. Am Ende blieb Spanien im Weltkrieg offiziell neutral, unterstützte aber die Achsenmächte auf verschiedene Weise.

Der Jesuitenpriester und die Zwangsarbeit

Die Militärlogistik orientierte sich an den Erfahrungen aus Befestigungsanlagen des Ersten Weltkriegs, die technische Beratung dazu gaben die Deutschen. Der Bau des Befestigungssystems mit Straßen, Wegen, Bunkern, Beobachtungsposten, Landebahnen und Militärkrankenhäusern erfolgte durch Pioniere der spanischen Armee, Zivilarbeitern aus den umliegenden Ortschaften, in denen zumeist Tagelöhner und Landarbeiter lebten, und vor allem Arbeitskolonnen, die aus politischen Gefangenen des gerade erst beendeten Bürgerkriegs bestanden. Diejenigen Verteidiger der untergegangenen spanischen Demokratie, die das Land nicht verlassen hatten oder von Franco und seinen faschistisch-nationalistischen Schergen ermordet worden sind, waren der Willkür der neuen Machthaber hilflos ausgesetzt. Nach dem Bürgerkrieg stand dem neuen Regime ein schier endloses Heer an rechtlosen Kriegsgefangenen zur Verfügung, deren Arbeitskraft sich das System gnadenlos zunutze machte.

Zehntausende zum Teil noch junge Männer wurden wegen ihrer republikanischen Vergangenheit, disziplinarischen oder anderen vorgeschobenen Gründen an den Küsten Andalusiens als Zwangsarbeiter zur Arbeit genötigt. Dieses System einer „Tilgung von Strafe durch Arbeit“ („Redención de penas por el trabajo“) war noch zu Bürgerkriegszeiten auf der nationalistischen Seite von dem Jesuitenpriester und Physikprofessor José Agustín Pérez del Pulgar (1875-1939) sowie dem katholischen Aktivisten und Leiter des staatlichen Strafvollzuges Máximo Cuervo Radigale (1893-1982) entwickelt worden. Wer sich nach dem Urteil der faschistisch-nationalen Justiz schuldig an Staat, Kirche und Volk gemacht hatte, konnte seine Strafe durch Arbeit zeitlich verringern, was offiziell die Gefängnisse entlasten, die Gefangenen zu besseren katholischen Spaniern „erziehen“ und die angeblich von der Republik zu verantwortenden Zerstörungen des Bürgerkriegs beseitigen sollte. In Wirklichkeit war dies aber ein staatlich angeordnetes Zwangsarbeiterprogramm, dem in ganz Spanien Unzählige zum Opfer fallen sollten. Die Bedingungen, unter denen die Verurteilten leben und arbeiten mussten, waren vergleichbar mit denen in den Lagern in Deutschland zu dieser Zeit. Willkür, Ausbeutung, Hunger, menschenunwürdige Unterbringung und Krankheiten in den Konzentrations-, Gefangenen- und Arbeitslagern Spaniens waren an der Tagesordnung.

Profitiert haben davon das franquistische Regime, die sie stützende katholische Kirche mit Umerziehungs- und Christianisierungsprogrammen sowie viele Unternehmen, die sich aus diesem kostengünstigen Reservoir an wehrlosen Arbeitskräften skrupellos bedienten. Der Bau des Bunkersystems an der Mittelmeer- und Atlantikküste Andalusiens wäre ohne die Zwangsarbeiter nicht möglich gewesen. Die Gefangenen wurden als Bataillone in Stärken zwischen 700 und 1.000 Mann in den Dörfern und kleinen Städten in Sammelunterkünften untergebracht, die aber nichts anderes als Arbeitslager waren. So in Zahara de los Atunes in dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Palacio de las Pilas. Die Mannschaften für die Bunker selbst kamen aus den umliegenden Kasernen der Armee und der paramilitärischen Guardia Civil.

Palacio de las Pilas

Drohung zwischen Atlantik und Mittelmeer

Das vor allem zur Abwehr gegen eine mögliche Invasion gebaute System war bis 1942 betriebsbereit und bestand aus drei Linien. An den Stränden und Küsten wurden an das Terrain angepasste Bunker errichtet, die mit mobilen Mannschaften besetzt waren. Bewaffnet wurden diese Bunker mit Maschinengewehren und oft auch Panzerabwehrkanonen, die bis zu etwa 3.000 Metern Reichweite hatten. Dahinter lag eine zweite Verteidigungslinie mit Bunkern für automatische Waffen. In der dritten Linie lag mobile Artillerie, die ihre Positionsbefehle von Observierungsbunkern in den vorderen beiden Linien erhielt. Ebenfalls gebaut wurden parallel zur Küste laufende Straßen für Truppenbewegungen, teilweise Schützengräben zwischen Bunkeranlagen sowie Kommunikationsbauten.

Hinterland von Zahara de los Atunes, heute Militärgelände

Besonders ausgebaut wurde der Bereich um El Peñón, den Felsen von Gibraltar. Denn dort waren die Briten.
Wie sehr die Bunkerbefestigung an der spanischen Küste den alliierten Schiffsverkehr zwischen Mittelmeer und Atlantik stören konnte, ist bislang noch nicht abschließend erforscht worden. Zumindest stellten sie aber eine erstzunehmende Bedrohung für die Alliierten dar. Und es wurde aus ihnen heraus auch auf Schiffe und Konvois geschossen. Nach dem Krieg blieben die Anlagen stehen. Manche wurden später durch Militär oder Guardia Civil genutzt, andere verfielen und wurden so mit der Zeit zu Teilen der Landschaft. Überreste eines längst vergangenen Krieges am südlichen Ende Europas. Geplant ist, sie als Bien de interés cultural de Andalucía zum geschützten Kulturgut zu erklären. Und so werden sie wohl auch in Zukunft bleiben, an den breiten Stränden Andalusiens mit den Touristen aus allen Ländern.

Bunker Zahara de los Atunes III C 22, für ein Maschinengewehr und zwei Panzerabwehrkanonen

Literatur

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Richard Whittingham: Martial Justice. The Last Mass Execution in the United States, Annapolis 1997